Kunst aus Berlin: Antje Kröger

Kunst aus Berlin: Antje Kröger
Die Bilder von Antje Kröger sind unverstellt, berührend und erreichen eine Intenstität, die man von einem einzelnen Foto nicht erwartet. Wir sprachen mit der Fotokünstlerin über ihre Faszination für Menschen und weshalb es manchmal gut ist, „anders“ zu sein. 

Eigentlich war alles ganz anders geplant. Antje Kröger begann ihre Karriere als Journalistin. Heute ist ihr Medium die Fotografie. Im Fokus ihrer Arbeiten stehen zwar immer noch Geschichten, nun aber die ihrer individuellen Modelle. Ihre schonungslos ehrlichen Bilder können berühren, provozieren, verstören oder überraschen. Ihr Stil ist ungeschönt, Retusche kennt sie nicht. Ihre fotografischen Gegenüber zeigen sich oft ungeschminkt und mit Schönheitsmakeln vor ihrer Linse. Antje Kröger geht es bei ihren Bildern nicht um Ästhetik, sondern um Kunst, Menschen zu fotografieren: authentisch, unverstellt. „Schöne Bilder gibt es von mir nicht, meine Fotos können schon weh tun“, erklärt die Künstlerin mit dem honigblonden Haar und dem wachen Blick im Gespräch.

 

Selbstporträt- Antje Kröger
Vor ihrer Linse offenbaren sich die Menschen

Antje Kröger arbeitet jenseits von gestellten Posen, sie will nicht stilisieren, sondern hinter die Fassade blicken: „Ich möchte den Menschen ganzheitlich zeigen und nicht als Konstrukt“, sagt sie. Dabei ist nicht das Äußere entscheidend, sondern vor allem das Wesen, die Persönlichkeit, die Ausstrahlung. So kann jemand vor ihrer Kamera vor Energie sprühen oder zerbrechlich wirken, scheu oder auch präsent sein.

Menschen zu „sehen“ erfordert ein ganz besonderes Gespür für die Persönlichkeit und Geschichte des Einzelnen. Ihre Modelle öffnen sich ihr oft bis zur Schmerzgrenze und zeigen damit in jedem Bild, das sie von ihnen schießt, auch immer einen Teil von sich selbst. Dabei entstehen intime und emotionale Momente unter der Oberfläche, der Blickkontakt wird zum beidseitigem Sehen. Denn die Zweierbeziehung vor der Kamera ist bei Antje Kröger immer eine Begnung auf Augenhöhe. Für beide Seiten gilt es, sich einzulassen: „Wir lernen voneinander. Jeder Mensch, der bisher vor meiner Kamera stand, hat auch etwas bei mir hinterlassen.“ Was Offenheit betrifft, geht die Fotokünstlerin für ihre Shootings in Vorleistung: „Ich möchte eine Essenz des Menschen zeigen, den ich fotografiere. Dafür mache mich unter Umständen emotional ganz nackt, damit auch sie sich „nackt“ machen können.“ erzählt sie mir.

Aus der Fotoserie: Man reist ja nicht um anzukommen ©Antje Kröger
Kommunkation ist der Schlüssel zu allem

„Beim Prozess meiner Arbeit ist das Fotografieren an sich der kleinste Teil. Ich rede unendlich viel mit den Menschen, die ich porträtiere, oft stundenlang“, sagt sie. Das Fotografieren beginnt bei Antje Kröger schon im Gespräch: „Ich beobachte den Menschen, schaue mir von allen Seiten an, wie er aussieht. Schon in den ersten Momenten der Interaktion fotografiere ich ihn eigentlich schon. Wenn ich dann irgendwann spüre, dass sich mein Gegenüber öffnet, weiß ich, dass ich anfangen kann zu fotografieren.“

Der Fotoapparat ist ihr Pinsel und ihre Leinwand

Aber nicht nur bei ihren Porträts, auch bei ihrer Reisefotografie gelingt es ihr, mit einfühlendem Blick und einem sehr eigenen Gespür für Personen, Situationen und Klischees unmittelbare, manchmal scheinbar einfache Bildkompositionen zu schaffen. Ihre  Fotos vermitteln eine gewisse Beiläufigkeit, die sich aber bei näherer Betrachtung als ausgewogene Bildkomposition und bewusste künstlerische Konzeption erweist: „Tief in mir drin wäre ich gerne Malerin geworden. Von Frida Kahlo und Albrecht Dürer habe ich viel über Komposition gelernt. Es reicht mir aber auch aus, die Malerei zu rezipieren.

Istanbul©Antje Kröger

Und mit diesem vermag sie es mit ihren beinahe dokumentarischen Arbeiten Gefühle einzufangen und auszudrücken, das Wesen eines Menschen festzuhalten, Geschichten zu erzählen. Im Vordergrund steht dabei immer eines: die Visualisierung des Imperfekten. Denn „Normalos“ oder typische Models interessieren Kröger nicht. Sie ist vor allem von Menschen fasziniert, die „anders“ sind. Weil sie auch selbst einen besonderen Körper hat, wie sie sagt, den sie auch gerne mal zur Leinwand ihres künstlerischen Schaffens macht. So ist die Foto-Reihe „Man reist ja nicht um anzukommen“ etwas sehr Besonderes für sie. Sie entstand durch die reflektierte Auseinandersetzung mit ihrem eigenen Körper, die sie in einer Nacht-und-Nebelaktion auch zum fotografischen Thema machte. „Als ich zum ersten Mal meine Fotos gesehen habe, habe ich geweint und heute liebe ich diese Serie bis zum Umfallen“, sagt sie. Schönheit ist bei ihr gleichzusetzen mit Ehrlichkeit und Persönlichkeit als Ausdruck in ihrer reinsten Form: „Durch meine Offenheit und mein „Anderssein“ können Menschen bei mir loslassen, mir vertrauen und sich komplett in meine Hände begeben. Ohne meinen Körper wäre ich nicht die Künstlerin, die ich bin.“

www.antjekroeger.de

Text: Miriam Bektasi

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