Kunst aus Berlin: Maria Gottwig

Kunst aus Berlin: Maria Gottwig
Aus der Liebe zum Strich schafft sie Kompositionen voller Umbrüche, sensibler Stärke, Melancholie und Lebensfreude.

„Die Frauen in meiner Familie haben mich mit ihrer Stärke, Emotionalität und Sehnsucht nach Freiheit geprägt. All ihre Vielschichtigkeit bilde ich in meinen Zeichnungen ab.“ So zeigen sich Marias zumeist feminine Illustrationen und Aquarelle farbintensiv, ausdrucksstark, lebensfroh aber auch teils melancholisch.

Auswanderung nach Berlin in 1993

Schon als Kind verlieh die im Kaukasus geborene Maria Gottwig ihren Emotionen durch die Malerei Ausdruck. Aufgewachsen in einer Zeit des Umbruchs, der Perestroika, in einem Spannungsfeld zwischen vielen Kulturen, mit einer großen Familiengeschichte und einer Vielzahl an Ornamenten, beeindruckenden Landschaften, selbstbewussten kunsthistorischen Traditionen, wird sie von ihrer alleinerziehenden Mutter, die Psychiaterin ist, gefördert. „Ich wuchs dennoch frei auf, konnte mich sogar mit meinen Zeichnungen an den Wänden unserer Wohnung ausleben. Ein Leben ohne patriarchalische Reglements, frei und selbstbestimmt – das wollte meine Mutter für mich, trotz der schwierigen Zeiten.“ Und so wandert die Familie 1993, als Maria knapp neun Jahre alt war, nach Berlin aus. „Unsere Wahl fiel auf Berlin, weil wir die Sehnsucht nach einer Metropole in uns trugen, in der man sich als Mensch verwirklichen kann.“

Künstlerin Maria Gottwig©Maria Gottwig
Zeichenleherin und Mentorin “Christine Klemke”

Als Teenager sucht sich Maria eine Zeichenlehrerin und das Schicksal gab ihr Christine Klemke, die Tochter des großen DDR-Illustrators Werner Klemke, an die Hand. Sie wird fortan ihre Mentorin in der Kunst des Zeichnens, aber auch darin, wie man Kunst verstehen, sie leben, in ihr aufgehen, nicht an ihr verzweifeln kann. Maria erinnert sich an ihre Worte: „Du bist Gestalterin. Mit deiner Kunst gestaltest du dein Leben – also tue alles, was du auf das Papier bringst, mit dem Herzen. Nur so kann es gehen.“ Aus den wertvollen Unterrichtsstunden erwächst in Maria die Liebe zum Strich, die Freude an der Kunst und der Wille, mit ihr die eigenen Emotionen und interkulturellen Hintergründe mit unterschiedlichsten stilistischen Mitteln zum Ausdruck zu bringen.

©Maria Gottwig
Ausbildung und Studium

2004 beginnt sie eine Ausbildung als Grafikdesignerin. Doch das genügt ihr nicht. Im Jahr 2010 tritt sie das Studium der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation am Design Departement der UdK-Berlin an. Nach dem Studienabschluss arbeitet sie als freiberufliche Designerin und Illustratorin. Ihre Arbeiten reifen zu einer Einheit von Design und Kunst heran. Aus dieser Zeit stammen Illustrationen für das Magazin Jolie und künstlerisch geprägte Designs für diverse kulturelle Einrichtungen und Unternehmen. Dabei arbeitet sie mit den klassischen Zeichenmaterialien wie Kohle, Bleistift und farbiger Tusche. „Ich liebe an der Tusche den unkontrollierten Prozess, der intuitiv erfolgt, der auch mich überrascht – eine Technik, die schwer zu meistern ist. Sie ist lebendig und nahbar in der Ausstrahlung.“ Einige ihrer Kunstwerke erhalten ein digitales Finish.

©Maria Gottwig

An diesem Punkt vermischen sich Design und Kunst, der konstruierte Minimalismus mit dem spontanen Expressionismus, zu einer Komposition auf verschiedenen Ebenen. Ihre Bilder konstruiert sie nach Designpunkten auf rationaler Ebene. Die emotionale Ebene wird von der farbigen Füllung eingenommen, die oftmals sehr expressiv erfolgt. Im letzten Schritt werden die einzelnen handgezeichneten und digitalen Elemente zusammengesetzt wie Collagen. Ihre Drucke sind in Formaten von A3 bis A1 ab einem Preis von 120 Euro erhältlich. Dabei sind die Ausgaben, die auf hochwertigem Aquarellpapier gedruckt werden, auf 20 Stück limitiert und signiert.

Lebenslust und Gegensätze sind die besten Motive

Es sind oft die Gegensätze, die sie inspirieren. Die Schwäche der starken Frauen, die Lebenslust der Verzweifelten, die Explosion der Farbe in einem Rahmen aus designten Ornamenten. „Melancholische Menschen besitzen eine tiefe Emotionalität, die ich in meinen Zeichnungen einfangen möchte.“ Dennoch ist es nicht das strapazierte Bild des leidvollen, verkannten Künstlers, das sie interessiert. „Das entspricht meiner Meinung nach nicht ganz unserer Zeit, in der Bilder vornehmlich mit einer positiven Lebenseinstellung assoziiert werden. Das Leiden birgt sicher eine gewisse Schönheit, ist langfristig aber nicht gut für den emotionalen Haushalt, die Gegensätze sind die besten Motive und die Lebenslust sollte überwiegen“, sagt die junge Frau mit den aufmerksamen braunen Augen lachend.

©Maria Gottwig
Social-Media ist ein wichtiger Marketing Kanal

Wie viele andere Gestalter ist Maria über Instagram mit der Welt verbunden. „Für diejenigen, die digital arbeiten, sind die neuen Medien eine tolle Entwicklung. Sie ermöglichen es, mit einem großen Kreis an Freunden und Künstlern über Ländergrenzen hinweg in Kontakt zu bleiben und vor allem die eigenen Werke einer großen Audienz zu präsentieren“, sagt sie auf meine Frage, wie sie diese Entwicklung beurteilt. Dennoch bleibt es offen, wie viel Wertschätzung in einem Like wirklich stecken kann. Der Wert der Bilder und der Arbeitsaufwand, der dahinter steckt, sind auf den Posts oft nicht zu erkennen. „Die Oberflächlichkeit müssen wir unbedingt im Blick behalten. Ein Popcorn-Artviewing möchte ich für mich nicht. Schlussendlich sollte die Qualität des Handwerks gewinnen. Das dürfen wir Künstler, trotz aller digitalen Fortschritte, nicht verlieren. Ausschließlich digital zeichnen möchte ich aher nicht – das Haptische, Unkontrollierbare, die Emotionen des Schaffensprozesses würde ich vermissen.“

www.mariagottwig.com

Text: Maren Minow

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