Gefangen im Netz

Gefangen im Netz

In unserer heutigen Gesellschaft ist es ganz normal 24/7 erreichbar zu sein. Wir verbringen unser halbes Leben im Internet, archivieren im Netz alles, was uns lieb und teuer ist und haben das Gefühl zunehmend das Wesentliche im realen Leben zu verpassen. Doch es gibt eine Gegenbewegung.

Im Spiegel-Bestseller “Ich bin dann mal offline: Ein Selbstversuch. Leben ohne Internet und Handy“ beschreibt der Autor Christoph Koch die aktuelle Smartphone-Situation wie folgt: „Einerseits bereichern und vereinfachen sie unser Leben so sehr, dass wir um nichts auf der Welt mehr darauf verzichten wollen und ihren Einfluss geradezu genießen. Andererseits fühlen wir uns gleichzeitig vom klingelnden Handy, dem summenden Blackberry oder der endlosen Weite des Internets auch überfordert, gestresst oder verängstigt.“

„Digital Detox“ nennt sich der Trend: Beim digitalen Entschlacken geht es darum, dass die Menschen innerhalb einer bestimmten Zeitspanne auf digitale Technik verzichten und sich so bewusst einer stetigen Vernetzung und Erreichbarkeit entziehen, um damit Stress zu reduzieren und wieder mehr mit der realen Welt zu interagieren.

Was sich anfangs nach noch mehr Stress anfühlt, weil man den Drang verspürt alle zwei Minuten auf sein Display zu gucken, entpuppt sich später als wahre Medizin. Ohne die ständige Unterbrechung von nervigen Klingeltönen kann man sich durchgehend auf etwas Anderes konzentrieren, vor allem auf seine Mitmenschen. Man wird aufmerksamer und die Motivation steigt. In der gewonnenen Zeit kann man auch ein Buch lesen, etwas zeichnen, meditieren oder ganz einfach mit Freunden in eine Bar gehen. Möchte man wissen was bei ihnen so los ist, muss man raus aus seiner Komfortzone. Schließlich ist das Smartphone jetzt nicht mehr der Kommunikationsweg Nummer 1.

Auch der Vinyl-Dinosaurier, die Schallplatte, feiert seine Wiederauferstehung. Im Jahr 2016 wurden über zwei Millionen von ihnen verkauft. „Das sinnliche Gefühl seine Lieblingsmusik in der Hand zu halten, hat schon was.“, sagen LP-Fans.

Ein Selbstversuch. Leben ohne Internet und Handy

Die Betreiber der Läden erzählen, dass ihre Kunden wesentlich jünger werden und auch die Hits der Künstler von heute als Schallplatte zu kaufen sind. In den Läden werden aber nicht nur Vinylplatten gekauft, sie sind auch Orte der Begegnung. Manche Stars geben hier kleine Konzerte und Autogramme. Im Gegensatz zu der Musik aus Apps, wie Spotify, YouTube und Co., soll die Musik von Plattenspielern besser klingen und eine entschleunigende Wirkung haben.

Auch die Sofortbildkameras sind aus der Versenkung wiederaufgetaucht. Ihr Umsatz ist gestiegen. Fuji bringt sogar neue Modelle heraus. Besonders beliebt sind Geräte in knalligen Farben und Schwarz-weiß-Filme, um richtig „old school“ fotografieren zu können. Zwar kommt die Qualität der Bilder lange nicht an die von Digitalkameras heran aber immerhin hat man sofort ein Foto in der Hand. Die Fotoalben von früher haben ganze Generationen überlebt.

Aber wer weiß wie lange wir die Bilder auf unseren Festplatten noch angucken können, wenn sich die Speichermedien so rasant weiterentwickeln wie heute. Denn schließlich könnte es gut sein, dass es ihnen so ergeht wie den Videokassetten, die sich plötzlich nicht mehr abspielen lassen. Außerdem ist Fotografieren nicht nur ein sinnloses Umhergeknipse. Fotografie ist eine Kunst, besitzt eine Ästhetik und die Theorie und Praxis dafür kann man sich in einem der zahlreichen Fotokurse aneignen. So entstehen in vielen Lebensbereichen kleine analoge Inseln.

Es gibt viele Möglichkeiten seine Selbstbestimmung wiederzubekommen und im Hier und Jetzt zu leben. Wer seinen Lebensstil nicht gleich so drastisch umstellen möchte, der kann ja damit anfangen morgens in der Bahn mal das Smartphone beiseite zu legen und die Menschen zu beobachten, was auch ein sehr spannendes Abenteuer sein kann.

Ein Selbstversuch. Leben ohne Internet und Handy